Hölderlin und der Tempel: Berührungspunkte
Mit Friedrich Hölderlin verbindet mich zweierlei. Wir haben erstens am gleichen Tag Geburtstag. Außerdem verehre ich die dunkle Schönheit seiner Sprache sehr. Zudem teile ich seine Leidenschaft für die griechische Antike. Hölderlin hat aber auch einen Berührungspunkt mit der Architektur und das ist vielleicht wenig bekannt. Und das kam so.
Hölderlin und der Tempel: Die Vorgeschichte
Der geniale Dichter wurde im September 1806 von seinem eigenen Landesherrn in die Psychiatrie zwangseingewiesen. Neun Monate verblieb er dort: eingesperrt und malträtiert. Im Mai des nächsten Jahres geschah etwas: Ein Tischler namens Ernst Zimmer hatte den Hyperion gelesen und war von diesem Buch fasziniert. Ihm wurde daher vorgeschlagen, den Dichter bei sich zu Hause unterzubringen. Der Tischlermeister hatte in seinem Haus an der Stadtmauer von Tübingen nämlich auch einen uralten Turm integriert. In dieses Turmzimmer zog Hölderlin also ein. Er blieb dort die nächsten 36 Jahre lang wohnen. Nur selten empfing er Besuche. Nur der Tischler und seine Tochter Lotte sahen regelmäßig nach dem verwirrten Genie. Sie brachten ihm Essen in sein Turmzimmer und sorgten für seine Pflege.
Hölderlin und der Tempel: Die Geschichte
Eines Tages hatte Hölderlin eine Bitte an den wackeren Tischlermeister. Dieser solle ihm doch die detailgetreue Miniatur eines griechischen Tempels bauen! Der Tischler lehnte ab. Er könne leider nicht – so wie der kranke Dichter – in philosophischer Ruhe leben. Er müsse nämlich für sein Brot arbeiten. Hölderlin antwortete darauf auf seine Weise: Er nahm ein Schreibbrett und schrieb folgende unsterbliche Zeilen darauf:
Die Linien des Lebens sind verschieden,
Wie Wege sind, und wie der Berge Gränzen.
Was wir hier sind, kann dort ein Gott ergänzen.
Mit Harmonie und ewigem Lohn und Frieden.
Ob Hölderlin seinen griechischen Miniatur-Tempel bekommen hat, ist mir leider nicht bekannt. Allein die Vorstellung aber, was der Meister, das Modell in Händen haltend, sich dazu gedacht haben könnte, ist mir eine nie versiegende Quelle der Inspiration.